Der Lockdown – Tod der Marburger Gastronomie – nur ein Kollateralschaden?
Ein Gastbeitrag eines Marburger Gastronomie-Inhabers
Die häufigste Frage die mir in diesen Wochen und Monaten des Lockdown gestellt wird, ist nicht die Altbekannte: “ Wie gehts denn so?“ Es ist eher ein unsicher vorgetragenes: „Und, kommst du klar?, Wie ist das mit denn Hilfen? Reichen die?“ Neben einer verständlichen Neugier, bemerke ich auch eine Gewisse Rat- und Ahnungslosigkeit. Ist es denn nun so, wie in den Medien berichtet wird?
Alles schnell, locker und easy? Die kurze und knappe Antwort:“ Nein, ist es nicht!“
Im 1. Lockdown für die Gastronomie von Mitte März bis Mitte Mai 2020, konnte man relativ zügig die Soforthilfe, die ausschließlich für die Betriebskosten ausgegeben werden durfte, online selber beantragen. Im 2. Lockdown in den man uns Gastronomen Anfang November 2020, trotz aller umgesetzten Hygienekonzepte und einem nachgewiesenen, minimalen Infektionsgeschehen gezwungen hat, ist alles deutlich komplizierter geworden.
Vorneweg können die Hilfen diesmal ausschließlich von einem Steuerberater beantragt werden, der sich das natürlich auch bezahlen lässt. Den Antrag für die Novemberhilfe (75% des Umsatzes des Vorjahresmonats) konnte man erst ab Ende November stellen und für alle laufenden Kosten musste man erst einmal in Vorleistung treten.
Ganz prima vor allem vor dem Hintergrund, dass man zwischen dem ersten und dem zweiten Lockdown, also in der Zeit von Mitte Mai bis Ende Oktober, aufgrund der umfangreichen Hygienevorschriften und der Sperrstunde sowieso schon eklatante Umsatzeinbrüche zu verzeichnen hatte. Mitte Dezember kamen dann 50% der Novemberhilfe. Diese reichten nicht einmal zur Deckung der Betriebskosten für den Monat November.
An dem Punkt war ich schon sehr verzweifelt und die Bundesregierung hüllte sich ab da in vornehmes Schweigen.
Der Dezember zog ins Land, kein Geld, keine Informationen, nichts….einfach allein gelassen mit der Frage wie es weitergehen soll. Mitte Januar trudelten dann die fehlenden 50% der Novemberhilfe ein.
Ja, richtig gelesen…, die von November und… oh Wunder, die Hilfen für Dezember konnte man auch beantragen… Auf das Geld für Dezember warte ich allerdings immer noch.
Wer nicht wenigstens ein paar Rücklagen hat, ist jetzt schon am Limit oder auch längst drüber.
Ganz abgesehen davon war es im Jahr 2020 fast unmöglich solche Rücklagen zu bilden da
man Geld in die Hand nehmen musste, um unter anderem in die Umsetzung von Hygienekonzepten zu investieren, die einen dann doch nicht vor dem erneuten Lockdown bewahrt haben.
Wovon bezahlt der Gastronom eigentlich sein Mittagessen und das seiner Familie, seine private Miete, sein Auto, die Versicherungen?
Diese Frage taucht seltsamerweise so gut wie nie auf weil alle denken, dass die Hilfen auch dafür gezahlt werden. Dafür war schon die Soforthilfe im 1.Lockdown nicht gedacht und mit der bis jetzt gezahlten Novemberhilfe kann man nicht einmal die bis dato aufgelaufenen Betriebskosten zur Gänze bezahlen.
Die Januarhilfe befindet sich anscheinend noch irgendwo im Nirgendwo, ist aber lediglich als Betriebskostenzuschuss geplant. Ich wiederhole es noch einmal…Zuschuss.
Was also macht der Gastronom?
Er bezahlt seine privaten Kosten und vermutlich ab Januar 2021 auch einen Teil seiner Betriebskosten da diese ja nur noch bezuschusst werden mit seiner eventuellen Altersvorsorge, falls die nicht schon draufgegangen ist, dem Sparstrumpf oder einem Kredit, den er vermutlich gar nicht mehr zurückbezahlen kann.
So gerät man in einem Teufelskreis, den wahrscheinlich letztendlich viele Gastronomen mit ihrer Existenz bezahlen
Auch in Marburg geht es den Gastronomen so und das Gastronomiesterben hat bereits begonnen. Es trifft vor allem diejenigen, für die ein „to-go Geschäft“ nicht möglich ist und die deshalb keinerlei, ich wiederhole es gerne, keinerlei Einnahmen haben.
Diejenigen, die es vielleicht bis zu dem Zeitpunkt schaffen an dem sie eventuell, vielleicht, möglicherweise, in einer fernen Zukunft, wieder öffnen dürfen, im Frühjahr vielleicht, wenn das Virus sich naturgemäß nicht mehr so verbreitet, wie Viren das ebenso machen, was ist dann mit ihnen?
Ist dann endlich alles wieder gut? Kann man dann mal wieder aufatmen nachdem man sowohl finanziell, als auch psychisch mit dem monatlangen Berufsverbot zu kämpfen hatte. Kommen die Gäste dann überhaupt wieder oder haben sie mittlerweile durch die monatelange Panikmache in den Medien zuviel Angst vor Nähe oder überhaupt davor wieder anderen Menschen zu begegnen? Wie werden die Hygienevorschriften sein und sind sie überhaupt bezahl- und umsetzbar?
Und schaffe ich es überhaupt nach dem 2. Lockdown, so wie ich es nach dem 1. noch konnte, weiter zu kämpfen. Alles wieder von vorne…
Und wie wird es weitergehen bei dem nächsten Virus oder seinen Mutationen? Ist die Politik der Regierung dann weiterhin alternativlos? Wieder ein Lockdown, der dritte dann?
Die vielen Fragen und die Persepektivlosigkeit und Uneinschätzbarkeit der Zukunft sind für einen selbstständigen Gastronomen, der eine gewisse Planungssicherheit braucht, schwer zu ertragen.
Mit jedem Tag der vergeht, wird die geschäftliche und persönliche Situation schwieriger bis unlösbar.
Es ist manchmal nicht mehr auszuhalten.
Lasst uns wieder arbeiten und für die Menschen da sein. Lasst die studentischen Aushilfen wieder Geld verdienen. Es ist so wichtig für uns Menschen Orte zu haben, wo wir uns wieder begegnen können. Die Gastronomie ist so ein Ort! Denkt an die Vielfalt der Gastronomie angefangen bei der kleinen Eckkneipe , die für viele einsame Menschen fast ein Zuhause ist, bis hin zum
feinen Restaurant in dem man seine wichtigsten Lebensereignisse feiert. Lasst die Gastronomie nicht sterben. Beendet den Lockdown sofort! Ihr habt die Verantwortung und die Möglichkeiten diesen Irrsinn zu stoppen!
„Erst wenn der letzte Wein getrunken, der letzte Zapfhahn zugedreht und die letzte Bar geschlossen ist, werdet ihr merken, dass man Desinfektionsmittel nicht trinken kann!“
Autor ist der Redaktion bekannt 😉