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Im November 2023 verhinderten der Ältestenrat und die Koalitionsfraktionen eine Debatte zu den Auswirkungen des Gaza-Krieges auf den Landkreis – und ließen stattdessen ohne Beschluss des Kreistages den Vorsitzenden eine Stellungnahme dazu vortragen. Dr. Frank Michler sieht darin eine Überschreitung der Zuständigkeiten des Ältestenrates und eine Verletzung demokratischer Prinzipien.
Gesellschaftliche Debatte – der Kern der Demokratie
Die gesellschaftliche Debatte und das Ringen um die besseren Argumente als Grundlage für gemeinsame Beschlüsse ist das Kernelement von Demokratien.
Parteien wollten Stellungnahme, aber ohne Debatte und Beschluss
Nachdem im Oktober 2023 die Marburger Stadtverordnetenversammlung ein Statement zur Lage in Israel und Gaza abgegeben hatte, war das Thema auch in der Novembersitzung des Kreistages auf der Tagesordnung [1]. Die Bürgerliste Weiterdenken, die FDP-Fraktion sowie die Fraktion DIE LINKE hatten dazu jeweils Anträge eingebracht. Das übliche demokratische Vorgehen ist, dass Anträge zunächst in Ausschüssen vorberaten werden und dann im Plenum des Kreistages debattiert und schließlich abgestimmt werden.
SPD, CDU und Grüne wollten Stellungnahme – aber ohne Debatte und Beschluss
Die großen Fraktionen (SPD, CDU, Grüne) wollten zwar auch eine Stellungnahme des Kreistages, eine kontroverse Debatte und eine Abstimmung wollten sie jedoch um jeden Preis verhindern. Und dies taten sie auch. Zunächst gaben sie über den Ältestenrat dem Kreistagsvorsitzenden den Auftrag, eine Stellungnahme im Namen des Kreistages auszuarbeiten. Gleichzeitig legten sie den Antragstellern von Bürgerliste Weiterdenken, FDP und DIE LINKE nahe, ihre Anträge zurückzuziehen. Zudem beschloss der Ältestenrat, die Anträge nicht an einen Ausschuss zu verweisen, wo Anträge normalerweise im Vorfeld der Kreistagssitzung diskutiert werden.
Stellungnahme des Vorsitzenden, aber Kreistag sieht sich „nicht zuständig“
In der Kreistagssitzung vom 16.11.2023 trug der Kreistagsvorsitzende Detlef Ruffert dann noch vor Beratung der Tagesordnung eine Stellungnahme zur Lage in Israel und Palästina vor. Danach beschloss der Kreistag mehrheitlich, dass er für dieses Thema nicht zuständig sei und setzte die Anträge von Bürgerliste Weiterdenken und DIE LINKE von der Tagesordnung ab.
Statt des Kreistags „beschließt“ der Ältestenrat den FDP-Vorschlag
Die FDP zog ihren Antrag zurück, da Rufferts Stellungnahme sich mit der Ausrichtung ihres Antrages deckte und ihr zusätzliches Anliegen einer Beflaggung der Gebäude des Landkreises mit der Flagge Israels vom Ältestenrat als Bitte an den Kreisausschuss beschlossen wurde [2].
Demokratie ausgehebelt
„Mit diesem Vorgehen wurde im Kreistag das Kernelement der Demokratie – die Debatte – ausgehebelt“, stellt Dr. Frank Michler fest, der für die Bürgerliste Weiterdenken im Kreistag sitzt. Er meint, dass der Ältestenrat bei diesem Vorgehen seine Kompetenzen weit überschritten habe und fordert nun in einem offenen Brief den Kreistagsvorsitzenden auf, sich zu den Zuständigkeiten des Ältestenrates klar zu äußern [3].
Quellen und Anmerkungen:
[1] Unterlagen zur Kreistagssitzung vom 16.11.2023
https://marburg-biedenkopf.ratsinfomanagement.net/tops/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZfoXDUewsF51rjL1vHQpAdI
[2] Niederschrift der Kreistagssitzung vom 16.11.2023
„Der Abgeordnete Koch (FDP-Fraktion) teilt mit, dass wesentliche Punkte des Antrags seiner Fraktion zum TOP 16 (Antrag der FDP-Fraktion betreffend „Solidarität mit Israel“) erledigt seien und der Ältestenrat zur Frage der Beflaggung von Kreisliegenschaften mit der Bitte an den Kreisausschuss einen guten Kompromiss gefunden habe. Er zieht den Antrag im Namen seiner Fraktion daher zurück.“
https://marburg-biedenkopf.ratsinfomanagement.net/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZYbMiEA2Q-GZfjuB0sPmQ2of_ONIkGoRHB6vDNH9lGlV/Oeffentliche_Niederschrift_Kreistag_16.11.2023.pdf
[3] Offener Brief von Dr. Frank Michler (Bürgerliste Weiterdenken) an den Kreistagsvorsitzenden Detlef Ruffert
https://buergerliste-weiterdenken.de/wp-content/uploads/2024/01/fragen_an_ktv_bezueglich_zustaendigkeiten_des_aeltestenrates_2024-01-21.pdf