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Künftig Einschränkung oppositioneller Medien per Mehrheitsbeschluss?

Wenn unter einem autokratischen Regime die Machthaber oppositionelle Medien einschränken, so zeigt die ‚westliche Wertegemeinschaft‘ schnell mit dem Finger auf solch antidemokratische Beschneidung der Pressefreiheit. „Bei diesem Thema sollten wir zunächst vor der eigenen Türe kehren“, meint Dr. Frank Michler. Er spielt damit an auf den seit Monaten schwelenden Konflikt im Kreistag über Filmberichterstattung aus den Sitzungen. Obwohl dies in der Satzung explizit erlaubt ist, hatte der Kreistag mehrfach ordnungsgemäß angezeigte Film- und Tonaufnahmen verboten. In der Kreistagssitzung vom 01.04.2022 führte dies dazu, dass in der zweiten Hälfte gar kein Medienvertreter mehr anwesend war. Nicht nur derjenige, dem das Filmen verboten wurde, sondern auch der Reporter der Oberhessischen Presse war gegangen. In der Sitzung vom 25.02.2022 hatte das Fehlen einer z.B. filmischen Dokumentation der Reden zur Folge, dass die Oberhessische Presse einen Abgeordneten falsch wiedergab und in der Folge das Landgericht Frankfurt der Zeitung die Wiederholung der Falschaussage per einstweiliger Verfügung verbieten musste [1].

Einschränkung der Pressefreiheit

Dr. Michler bewertet die vom Kreistag beschlossenen Filmverbote als eine Einschränkung der Pressefreiheit. Medien sollen die Mächtigen kontrollieren und Machtmissbrauch aufdecken. Wenn die Kreistagsmehrheit ihre Macht dazu missbrauchen kann, manchen Medien das Filmen zu erlauben und dies anderen zu verbieten, oder aber selbst zu definieren, wer als Medium/Presse gilt und wer nicht, ist das ein klarer Verstoß gegen Artikel 5 des Grundgesetzes.“, meint Dr. Michler.

Die Meinungs- und Pressefreiheit haben die Autoren des Grundgesetzes ausdrücklich als Recht für „JEDEN“ konzipiert. Dies geschah in bewusstem Kontrast zum zuvor gültigen „Schriftleitergesetz“, welches am 4. Oktober 1933 verabschiedet worden war und den Zugang zum Journalistenberuf geregelt hatte. Die Bundeszentrale für politische Bildung führt dazu aus [2]:

Eine direkte Nachwirkung des Schriftleitergesetzes ist es, dass der Zugang zum Journalistenberuf in der Bundesrepublik nicht reguliert wird. „Journalist“ darf in Deutschland heute jeder sein. Und auch für die Funktion des „Redakteurs“ gibt es keine gesetzlichen Zugangsbeschränkungen. Selbst die Pressefreiheit wird im Grundgesetz nicht weiter ausdefiniert und an Voraussetzungen gebunden. Sie leitet sich schlicht aus Artikel 5 ab: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“

https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/283118/ns-schriftleitergesetz-journalisten-als-staatsdiener/

Geplante Satzungsänderungen

Der Kreistagsvorsitzende Detlef Ruffert (SPD) plant, in der kommenden Kreistagssitzung am 20.05.2022 eine Änderung der Hauptsatzung und der Geschäftsordnung beschließen zu lassen (TOP 13 der Tagesordnung, [3]). Wie schon bei den vergangenen Filmverboten geschehen, soll die Kreistagsmehrheit ein Filmverbot aussprechen können, wenn ihnen die jeweiligen Journalisten nicht genehm sind. Dr. Michler sieht dies auch als Eingeständnis, dass die bisherigen Filmverbote rechtswidrig waren und einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalten würden:

Die Kreistags-Mehrheit will mit den geplanten Änderungen ihr vermeintliches Recht zu selektiven Einschränkungen der Pressefreiheit in Satzung und Geschäftsordnung ausbuchstabieren. Ich hoffe, dass in der Kreistagssitzung am 20.05.2022 genügend demokratisch gesinnte Abgeordnete verhindern, dass der Geist des Schriftleitergesetzes in Marburg-Biedenkopf Einzug hält. Ich rufe sowohl Mainstream-Medien als auch alternative Medien dazu auf, diesen Vorgang im Kreistag Marburg-Biedenkopf genauestens zu verfolgen und darüber zu berichtenam besten mit Film- und Tonaufnahmen aus der Kreistagssitzung.

Anzeige von Film- und Tonaufnahmen

Die Hauptsatzung des Landkreises Marburg-Biedenkopf sagt derzeit in § 4a, dass Film- und Tonaufnahmen mit dem Ziel der Veröffentlichung oder Übertragung im Internet zulässig sind. Sie sind lediglich vor Beginn der Sitzung dem Kreistagsvorsitzenden anzuzeigen [4].

Kontakt zum Kreistagsvorsitzenden Detlef Ruffert erhält man über die in der Einladung angegebene Email-Adresse [5].

Quellen:

[1] Landgerichts Frankfurt beschließt einstweilige Verfügung gegen Oberhessische Presse
https://weiterdenken-marburg.de/2022/04/29/landgericht-untersagt-falsche-kontaktschuld-behauptung/

[2] Bundeszentrale für politische Bildung über das Schriftleitergesetz
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/283118/ns-schriftleitergesetz-journalisten-als-staatsdiener/

[3] Tagesordnung der Kreistagssitzung a 20.05.2022 im Online-System des Kreistages
https://marburg-biedenkopf.ratsinfomanagement.net/tops/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZT4CXhJ-20wcA3bJXz2_bLw

[4] Hauptsatzung des Kreistages Marburg-Biedenkopf
https://www.marburg-biedenkopf.de/kreisrecht/10_1.pdf

[5] Einladung zur Kreistagssitzung am 20.05.2022 mit Kontaktdaten zum Kreistagsvorsitzenden für die Anzeige von Film- und Tonaufnahmen
https://marburg-biedenkopf.ratsinfomanagement.net/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZez82Bs_kt54bP-sWdGtdODPGsy0mbme2-C-cE3UzVgJ/Einladung_Kreistag_20.05.2022.pdf

Update 09.05.2022: Anfrage für Stellungnahmen

Dr. Frank Michler hat eine Anfrage an Presseverbände, Medien, Journalisten und Rechtsanwälte geschickt und diese Stellungnahmen zu den geplanten Regelungen für Verbote von Film- und Tonaufnahmen gebeten.

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